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Mittwoch, 11. Mai 2011
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4 min read

Twitter ist nichts für Lemminge. Was viele noch nicht begriffen haben. Ich wage es sogar zu behaupten, dass sie es nie begreifen werden. Das macht überhaupt nichts, die Welt dreht sich weiter und es gibt Probleme, welche wirklich Probleme sind.

Aber vielleicht ist es trotzdem so, wie sicher irgend ein Goethe oder Maupassant mal in komprimierter Dichtform niederschrieb: alles Übel hat seinen Ursprung. Und Elefanten sind schöner als Stabheuschrecken. Okay, das war zusammenhangslos. Aber eine schöne Überleitung zur Zusammenhangslosigkeit mancher Denkweise twitternder Menschen. 

Da vermutlich die Grundidee von Twitter die war, sich seiner Umwelt grenzenlos mitteilen zu können, wo man gerade steckt, was man denkt, fühlt, cool findet, einem inspiriert, was man tun möchte und sein lässt, was man meint, statt eine Ahnung zu haben, was man sich gerade erwikipediat oder sonst irgendwo abgeguckt hat – Dinge die einem followbarer machen sollten, man denkt es zumindest, wenn man überhaupt denkt.

Es gibt Twitterer, die fahren einen dicken Schlitten, weil sie mit dem Unwort des Jahres 2010 “Social Media” Kohle verdienen (was ich okay finde), es gibt solche, die fragen die ganze Welt, wo’s denn in ihrer Stadt um 21 Uhr abends noch Pizza gäbe, es gibt diese, die tausende Follower haben und sanfte Belanglosigkeiten schreiben (weil sie niemanden belangen möchten), es gibt Twitterer, die 16 Jahre alt sind und grossartige Texte bloggen, diese aber an der falschen Stelle in den Timelinefluss schmeissen, andere die am Ufer stehen und nach Flaschenpost Ausschau halten, Nörgeler, Linkschleuderer, solche, die 2jährige Top10-Youtube-Videos raushauen, als wären diese eben gerade erst hochgeladen worden, Billigwitzler, Provokateure, Zeitungs- und Fernsehkommentierer oder Beziehungsproblemeabwälzer, stille Zuhörer und laute Dampfwalzen.

Seit drei Jahren schrieb ich Dinge auf Twitter, welche genau in diese Schubladen da oben passen. Plural. Ich habe alles gemacht und werde auch alles weiterhin so machen, wie’s mir gerade in den Kram passt. Doch da gibt es scheinbar Probleme (wie man auf dem Bild oben sieht).

Denn gestern räumte ich wieder mal mal meine Followings auf. Über 600 kann und will ich nicht lesen, da wird mir schlecht dabei und ich bekomme einen Tennisarm. Das fühlt sich an wie Pingpong im Zeitraffer. Damit werde ich in erster Linie meiner Selbst nicht gerecht, denn, so darf ich das interpretieren, ich bin nunmal nicht Johnny 5.

Nicht gerecht sind auch nicht funktionierende Selecta-Automaten, eine Minute zu früh abfahrende Züge, abstürzende Flugzeuge, frisch gekaufte Bananen die noch grün sind, Handynetze die Telefonate abbrechen, Politiker die Texte kopieren, Chefs die Facebook verbieten, Kinder die liebevoll zubereitete Bio-Sandwiches wieder ausspucken und lieber Chicken-Nuggets hätten.

Völlig ungerecht sind grundsätzlich nicht funktionierende Dinge, Tatsachen die seit Jahren nie geändert worden sind, obwohl sie sich ändern hätten müssen, andere Mentalitäten, Integrationsprobleme, Glaubensrichtungen und sowieso: dass Steine im Weg liegen, ist scheisse. Oder #fail, wie man heute so wohlunüberlegt kategorisiert. Die Fail-Schublade ist gross, die Nachrichten sind voll davon, unsere Welt geht nur kaputt und wir hätten es doch längst gewusst. Nur die anderen nicht. Selber schuld.

Kann es sein, dass wir vergassen gute Dinge zu tun, die uns zu guten Menschen gemacht hätten? Entspricht unser Denken dem, was wir bemängeln? Sind wir stark genug um einen Schritt weiterzugehen? Ar wi denzer?

Gut, jetzt habe ich die Überleitung wieder zu Twitter vollends verkackt, nachdem ich kurz auf die Kanzel stieg. Das kann passieren, wenn man einen solchen selbstreferenziellen Blogpost nicht nach den “Top 10 Killer Blog Rules” schreibt. Das passiert auch, wenn man sich mehr Gedanken macht als womöglich nötig wären. Doch genau das ist mir egal. Nein nicht egal, es ist das was ich mag: Dinge mal von wo anders zu betrachten als immer nur von vorne. Da liegt weder daran, dass ich total kreativer Grafiker bin, noch dass ich gut schreiben kann oder nicht (meine schriftliche Ausdrucksweise lässt mir Einiges zu wünschen übrig). Sondern lediglich daran, dass ich versuche die Dinge nicht so ernst zu nehmen, damit ich sie ernst nehmen kann. Von hinten, seitwärts oder gar nicht.

Um endlich zum Hashtag zu kommen: mein #Verhalten auf Twitter entspricht weder einer Regel, noch mache ich das alles sonderlich gut. Ich followe nicht zurück, weil mir jemand followt (Chancen dafür habe ich mal niedergeschrieben, damals war ich noch jung, ein paar Ansätze stimmen trotzdem noch). Ich twittere, weil ich Spass daran habe, Menschen kennenzulernen. An deren Leben mehr teilzuhaben als ich es für möglich gehalten hätte. Insgesamt einer Summe von Leben teilzuhaben, zu spüren was um mich herum passiert und wie die Welt sich teilweise bei euch dreht. Mein Ziel ist es nicht tausende Follower zu haben oder als Internetsuperstar in die Geschichte einzugehen. Denn so würde ich spätestens in ein paar Jahren hamburgerkotzend und betrunken auf YouTube landen. 

Gratulation denen, die mir Dinge nicht übel nehmen, weil sie mich durchschaut haben. Glasreiniger denen, welchen dieser Blogpost arrogant und zusammenhangslos rüberkommt (und danke, haben sie’s trotzdem zu Ende gelesen. Linktipp Provokation als Stilmittel). Ein Glas Sirup denen, die gar nicht erst bis hier gelesen haben, weil sie ihren Weg gehen. Ich geh dann mal meinen: happy looking for freedom.

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